Gert Vonhoff
Weiterbildendes Studium --Leitgedanken
Weiterbildendes Studium -
Leitgedanken
(Gert
Vonhoff)
1. Mai 1998
Zum Stellenwert der Weiterbildung
Ein Kongreß, den das Bundesministerium für Bildung,
Wissenschaft, Forschung und Technologie am 18. Februar 1998 in
Bonn veranstaltet hat, sieht die Zukunft in der Wissensgesellschaft.
In seiner Eröffnungsrede grenzt Jürgen Rüttgers den
Begriff der Wissensgesellschaft von dem der
Informationsgesellschaft ab: "Wissen ist die bewußte
Anwendung und Zuordnung von Informationen. Das bedeutet, daß
nur der Mensch Wissen produzieren, nutzen und mehren kann." Und
im Rückgriff auf eine Formulierung Hubert Markls präzisiert
Rüttgers: "Der Weg von der Mediengesellschaft zur
Wissensgesellschaft ist der Weg von der Information zur Bedeutung,
von der Wahrnehmung zum Urteil." Rüttgers Schlußfolgerung
daraus: "Mit der Wissensgesellschaft rückt der Mensch nicht
an den Rand, sondern ins Zentrum des Geschehens, nicht als Objekt,
sondern als Subjekt".(1) Eine derartige
Begriffsbestimmung von Wissen hält Rüttgers indes
nicht durch. Ein zweiter Begriff von Wissen, der
objektzentriert angelegt ist, ersetzt an den entscheidenden Stellen
den Versuch, einen subjektzentrierten Wissensbegriff einzuführen.
So heißt es, "alle 5 bis 7 Jahre verdoppelt sich das
weltweit verfügbare Wissen"; und besonders deutlich wird es
dort, wo vom "Wandel zur Wissensgesellschaft in der Wirtschaft"
die Rede ist: "Wissen ist nicht nur zum entscheidenden
Produktionsfaktor geworden. Wissen ist auch ein nachgefragtes
Produkt. Es sichert Wettbewerbsfähigkeit und schafft Einkommen.
Wissensbasierte Industrien und Dienstleistungen weisen die größten
Wachstumsraten und die stärksten Beschäftigungseffekte
auf."(2) Die Widersprüche, die sich aus
dem Aufweichen und öffentlichkeitswirksamen Zuschneiden von
Begrifflichkeiten ergeben, verdeutlichen, daß der Begriff des
Wissens allein nicht ausreicht, den Unterschied zur
Informations- und Mediengesellschaft zu bezeichnen.
Wo
eine andere Begriffe verwendet werden, entstehen andere Konzepte. So
bedarf der objektzentrierte Begriff Wissen eines
subjektzentrierten Pendants: des sich Bildenden. Damit das
Prozeßhafte, das nie Abzuschließende der Bildung
bewußtgehalten werden kann, gehört zur Definition
dessen, was Bildung heute meinen könnte, immer stärker
eine Konzeption der Weiterbildung. Weiterbildung
gewährleistet in besonderer Weise, daß die Individuen
dauerhaft in der Lage bleiben, der Informations- und damit auch der
Wissensflut urteilend begegnen zu können. Gleichermaßen
mit den Möglichkeiten der Technik wie mit den Ansprüchen
der Menschen umzugehen ist das Ziel gerade in einer Zeit, die
vielfach als der Beginn des nachindustriellen Zeitalters gesehen
wird.
Hochschule und Weiterbildung: eine Phantomdiskussion?
Als 1992/93 in einem wahren "Trommelwirbel éEmpfehlungenæ,
éMaßnahmenæ, éÜberlegungenæ und
éEckwerteæ der wichtigsten hochschulpolitischen Gremien
(...) verabschiedet" wurden, spielte "in den meisten
Dokumenten" auch "die Weiterbildung eine Rolle": nicht
mehr ob, sondern wie sich die Hochschulen in der Weiterbildung
engagieren sollen, ist seither Diskussionsgegenstand.(3)
Was Peter Faulstich Mitte 1994 in seiner Positionsbestimmung als
Resümee zieht, hat noch heute weitgehend Gültigkeit: "Man
kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß zumindest teilweise
die Auseinandersetzung um Hochschule und Weiterbildung eine
Phantomdiskussion darstellt, zumindest wenn man die große
Diskrepanz zwischen Programm und Realität berücksichtigt.
Was gibt denn dann Anlaß dafür zu hoffen, dies könne
in der Zukunft anders sein? Eine Tendenz ist sicher die zunehmende
Einschätzung, daß es in den Hochschulen so wie bisher
nicht weitergehen kann. So zynisch es klingt, könnte gerade die
Krise des Systems dazu führen, daß breitere Horizonte und
weiterreichende Strategien entwickelt werden. Demgegenüber steht
ein geradezu unglaubliches Beharrungsvermögen der etablierten
Institution."(4) Ins Bild paßt da, daß
der Wissenschaftsrat am 14. November 1997 "Empfehlungen zur
berufsbezogenen wissenschaftlichen Weiterbildung"
verabschiedet(5) und die Süddeutsche
Zeitung am 17. Januar 1998 fragen kann: "Schlafen die
deutschen Hochschulen? 34 Milliarden Mark sind 1996 auf dem
Weiterbildungsmarkt umgesetzt worden. Jeder Deutsche, der sich nur
irgend zur Pädagogik berufen fühlt, kann als Trainer auf
Kundenfang gehen und sich vom Weiterbildungskuchen seine Scheibe
abschneiden. (...) Nur eine Institution hält sich
widerstrebend aus dem Markttreiben heraus: die deutsche
Universität."(6) Marc Hochs kritische
Nachfrage orientiert sich indes an den falschen Mustern; einfach den
bestehenden Markt der Weiterbildung mitzubedienen kann nicht das Ziel
des stärkeren Engagements der Hochschulen in diesem Bereich
sein.
Und noch der seit November 1997 sich
aufbauende studentische Protest hat bislang das Thema Hochschule
und Weiterbildung nicht als Feld der kreativen Auseinandersetzung
um die Zukunft der Hochschulen entdeckt. Mit der Wissenschaftlichen
Weiterbildung aber kann die inneruniversitäre Reformbewegung
einen Zusammenhang von ökonomischer, institutioneller und
gesellschaftlicher Kompetenz entwerfen. Wo Weiterbildung
gesellschaftspolitisch ernst genommen wird, entsteht ein Bewußtsein
davon, daß weniger Arbeit nicht zwangsläufig mehr
Arbeitslosigkeit bedeuten muß, sondern Freiräume schafft
für das, was als "lebenslanges Lernen" gern in die
private Verantwortung abgeschoben wird und was doch so sehr
gesamtgesellschaftlich oder, wenn man will, als Aspekt in der
Diskussion um die Standortfrage zu behandeln wäre.
Nachdenklich stimmen muß es dagegen, wenn der
jüngste "Integrierte Gesamtbericht zur
Weiterbildungssituation in Deutschland" für 1994 einen
Rückgang des "Volumenanteils der beruflichen Weiterbildung
um vier Prozentpunkte" gegenüber 1991 ausweist.(7)
Befremdlich ist auch, wenn man sich ansieht, bei welchen
Personengruppen "seit 1991 der Zeitaufwand pro Teilnehmer in der
beruflichen Weiterbildung" zurückging: bei "Erwerbstätigen
in Industrie und Handwerk", bei "Erwerbstätigen in
Mittel- und Großbetrieben sowie Personen mit Meister- oder
anderer Fachschulausbildung".(8) Berufliche
Weiterbildung unter den Erwerbstätigen, so deutet es sich
fatalerweise an, nimmt in einer Zeit, in welcher der Arbeitsplatz
unsicher geworden ist, spürbar ab, wo doch gerade die zunehmende
Qualifikation Sicherheit vor dem Arbeitsplatzverlust bedeuten müßte.
Anhand einiger Leitgedanken soll die
Diskussion um Weiterbildung an den Hochschulen deshalb im Rahmen des
Projekts Hochschul-Reform ´98 eröffnet werden. Es
handelt sich um grundlegende Fragestellungen, von denen aus in einem
späteren Schritt konkrete Modelle zu entwickeln sein werden. Im
Augenblick kann es erst einmal nur darum gehen, diesen Bereich in die
laufenden Überlegungen zur Hochschulreform einzubringen.
Leitgedanken zur Weiterbildung an den Hochschulen
A. Neben der Forschung und der
Grundständigen Lehre ist die Wissenschaftliche Weiterbildung als
dritte tragende Säule der Hochschulen auszubauen.
Dies bedeutet eine grundlegende Um- und
Neustrukturierung der Hochschulen, die auf diese Weise dem
Bildungsbedarf der fortentwickelten Gesellschaft nachkommen. Dabei
umfaßt die Wissenschaftliche Weiterbildung das bisherige
Graduiertenstudium genauso wie die berufsbezogene wissenschaftliche
Weiterbildung. Letztere umfaßt neben der Vertiefung bereits
bestehender Fachkenntnisse den Erwerb von Grundlagen in neuen
Fächern. Alle genannten Bereiche in einer dritten Säule
zusammenzufassen und als auszubauenden Bereich neben die
Grundständige Lehre und die Forschung zu stellen bedeutet, die
Wissenschaftliche Weiterbildung aus ihrem Randdasein herauszuholen.
Die Hochschulstruktur trägt so dem rasch steigenden
Weiterbildungsbedarf Rechnung. Wo die Halbwertzeit des Wissens sich
merklich reduziert und gleichzeitig eine interdisziplinäre
Verzahnung verschiedener Wissenschaftsbereiche sowie der gegenseitige
Austausch zwischen Wissenschaft und Berufswelt als notwendige
Voraussetzungen der gesellschaftlichen Entwicklung begriffen werden,
darf sich die Universität den geänderten
Anforderungsprofilen nicht verschließen, wenn sie gestaltend
und nicht nur reagierend tätig werden will.
Die
Weiterbildung an Hochschulen sollte nicht länger ein Appendix in
der Diskussion um die Nutzung neuer technischer Möglichkeiten
(interaktive Lernsoftware, virtuelle Hochschule) bleiben. Einen
derartigen Eindruck vermittelt noch das Papier "Hochschulen für
das 21. Jahrhundert", wo Weiterbildung allein im Abschnitt
"3.2.7 Neue Technologien für Lehre und Forschung" eine
Rolle spielt.(9) Im Kabinettsentwurf zur
Novellierung des HRGs ist die Weiterbildung als Mittel zur "Pflege"
und zur "Entwicklung der Wissenschaften und der Künste"
zwar der Forschung, der Lehre und dem Studium gleichrangig
nebengeordnet (§ 2 Absatz 1 Satz 1 des HRG-Entwurfs). Gestrichen
ist indes die Weiterbildung als konkret ausgewiesene Aufgabe der
Hochschulen, wie sie im bisher gültigen HRG verankert ist, wo es
heißt: "Die Hochschulen dienen dem weiterbildenden Studium
und beteiligen sich an Veranstaltungen der Weiterbildung." (§
2 Absatz 4 Satz 1). Gestrichen ist ebenfalls der bisherige § 21,
der wesentliche Strukturen des "Weiterbildenden Studiums"
in einer Weise umreißt, die nur in Ansätzen im Angebot der
Hochschulen realisiert worden sind. Der HRG-Entwurf der
Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat dagegen die
grundsätzliche Bedeutung der Weiterbildung berücksichtigt.
Über die "Aufgaben der Hochschulen" liest man dort:
"Die Hochschulen ermöglichen wissenschaftliche und
künstlerische Weiterbildung. Bei der Entwicklung und
Durchführung von Angeboten beruflicher Weiterbildung können
sie mit der Bundesanstalt für Arbeit, den anerkannten Trägern
der Erwachsenenbildung und den regionalen Vertretungen der
Tarifparteien zusammenarbeiten."(10) In der
"Begründung" schlägt sich sowohl im "Allgemeinen
Teil" als auch in den Ausführungen zu den einzelnen
Paragraphen ein Bewußtsein davon nieder, was die Weiterbildung
für die Entwicklung der Hochschulen bedeuten könnte.(11)
Sehr konkret argumentiert schon Edelgard Bulmahn in ihrem
"Sozialdemokratischen Vorschlag für die Zukunft der
Hochschulen", wenn sie fordert: "Die wissenschaftliche
Weiterbildung muß neben dem grundständigen Studium und dem
Graduiertenstudium zur dritten tragenden Säule der Hochschule
werden. (...) Die entsprechenden Angebote sollten in
Kooperation mit Unternehmen, Gewerkschaften, Kammern und Verbänden
entwickelt und durchgeführt werden."(12)
Bulmahns Integration der wissenschaftlichen Weiterbildung in den
Bereich der Lehre wird dem reformerischen Potential, das von einer
Ausweitung der Aufgabenstellung ausgeht, allerdings nicht gerecht.
Denn gerade in der Wechselwirkung mit der Grundständigen Lehre
und der Forschung wird sich die innovative Verzahnung von Bildung und
Arbeitswelt niederschlagen.
B. Die Einheit von Forschung,
Grundständiger Lehre und Wissenschaftlicher Weiterbildung ist
inhaltlich und organisatorisch anzustreben. Die Neustrukturierung der
Erwerbsarbeit über Arbeitszeitkonten und Modelle der
Wochenarbeitszeitaufteilung sollten als gesamtgesellschaftliche
Fragen in die Reform der Hochschulen einbezogen werden.
Die bisher als Zielsetzung der Hochschulen
aufrechterhaltene Einheit von Forschung und Lehre wird im
vorgeschlagenen Modell um einen dritten Bereich ergänzt, der die
Erfahrungen der Arbeits- und Berufswelt in die Hochschulen trägt.
Eine grundsätzlich andere Möglichkeit des
Wissenschafts-Praxis-Transfers erschließt sich so, denn mit der
Wissenschaftlichen Weiterbildung ist das Eindirektionale dieses
Transfers aufgehoben. Forschungstransfer ist dann mehr als die
Distribution von Waren, nicht länger ein bloßer Wissens-
und Technologietransfer.
Wie das "kontaktstudium management" an der Universität
Augsburg (siehe nebenstehende Abbildung) belegt, finden sich erste
Ansätze für universitäre Weiterbildungsprojekte, die
Rückkoppelung aus der Arbeitswelt zulassen und so einen
beiderseitigen Transfer von Wissen und Erfahrungen gestalten.
Bemerkenswert an dem Beispiel ist, daß auch dieDozenten nicht
mehr ausschließlich Hochschulangehörige sind. Wo auf
solche Weise in Zukunft die Berufserfahrungen verstärkt in die
Hochschulen hineinwirken werden, besteht für die darauf
aufbauende wissenschaftliche Arbeit der Hochschulen zugleich die
Möglichkeit, als unabhängiges, überbetriebliches
Korrektiv in die Berufswelt zurückzuwirken. Die Hochschulen
werden auf diesem Weg nicht einfach bestehende Weiterbildungsangebote
ergänzen, sondern dem nachkommen, was Faulstich als "besonderes
Profil der Hochschulen in der Weiterbildung" auch unter
ökonomischen Aspekten für zwingend notwendig hält,(13)
denn nur so wird sich die Hochschule auf dem existierenden
Weiterbildungsmarkt durchsetzen.
Damit ein derartiges theoriegeleitetes Praxisfeld an
den Hochschulen entstehen kann, ist es notwendig, Studierende aus den
Bereichen des fortgeschrittenen Grundständigen und des
Graduiertenstudiums mit denen aus dem Weiterbildenden Studium
zusammenzubringen. Das vor allem ergibt den erwünschten
Erfahrungsaustausch. Die bisher übliche Praxis, Weiterbildung an
der Universität vom Studienalltag abzukoppeln und in
Abendkursen, Wochenend- oder Blockseminaren, auch außerhalb der
Vorlesungszeit zu organisieren, kann das Potential einer in ihrem
Stellenwert veränderten Wissenschaftlichen Weiterbildung nicht
ausschöpfen. Will man die Weiterbildung in den üblichen
Hochschulbetrieb integrieren, führt das unweigerlich zu
Fragestellungen, die nicht allein über die Studienstruktur zu
lösen sind, sondern allgemeine sozialpolitische und
tarifpartnerschaftliche Entscheidungen notwendig machen. Innovation
in diesen Bereichen bedeutet, Wissenschaftliche Weiterbildung
tarifvertraglich abzusichern. Arbeitszeitkonten, über die
Freistellungszeit für die Weiterbildung éangespartæ
werden kann, liefern hier Möglichkeiten, die Weiterbildung in
den énormalenæ Universitätsbetrieb zu integrieren.
Ähnliches gilt für Modelle der Wochenarbeitszeitaufteilung,
die im Zuge einer generellen Arbeitszeitkürzung in
Tarifverhandlungen zunehmend an Bedeutung gewinnen werden. Gekürzte
Arbeitszeit muß ja nicht zwangsläufig in mehr Freizeit
münden, sondern könnte zukünftig verstärkt als
Weiterbildungszeit genutzt werden. Wo dies über modifizierte
Wochenarbeitszeitmodelle angestrebt wird, ergibt sich ein
kontinuierlicher Prozeß der Weiterbildung und des
Erfahrungsaustausches, der die Umsetzung des Erarbeiteten in der
Arbeitswelt leichter machen wird. Zugleich stärkt die
kontinuierliche Weiterbildung die Position der im
Erwerbsarbeitsprozeß stehenden Arbeitnehmenden. Sie werden so
in die Lage gesetzt, nicht erst im Fall des Arbeitsplatzverlustes
etwas für die éSteigerung ihres Marktwertsæ zu tun.
Durch die bessere Integration von Weiterbildung in den Prozeß
der Erwerbsarbeit wird einer oftmals zu beobachtenden sozialen
Stigmatisierung von Weiterbildungsmaßnahmen wie auch ihrer
häufig zu beobachtenden Ineffizienz entgegengewirkt, zum mittel-
und langfristig ökonomischen Nutzen der Gesamtgesellschaft.
C. Weiterbildendes Studieren vermittelt
nicht nur Wissen, sondern vor allem Problemlösungskompetenzen,
die in der Arbeitswelt Schlüsselqualifikationen sind.
Ein grundlegender Unterschied gegenüber allen
Formen des Forschungstransfers ist, daß beim Weiterbildenden
Studieren nicht Ergebnisse, Produkte oder Dienstleistungen in die
Arbeitswelt transferiert werden, sondern im Studienprozeß
Problemlösungskompetenzen bei den sich Weiterbildenden
entstehen, die über die konkreten Ergebnisse hinaus mit in die
Berufswelt genommen werden. Die Hochschulen mit ihren
theoriegeleiteten Bildungsgängen sind dazu in besonderer Weise
in der Lage. Weiterbildung bedeutet dann nicht nur ein Aufholen
gegenüber wissenschaftlichen und technischen Innovationen,
bedeutet vielmehr Anleitung zur eigenen Kreativität. Damit
werden Voraussetzungen erfüllt, die eine zunehmend größere
Rolle spielen werden, wenn sich Bereiche der Ökonomie weiter von
den Rohstoffen und von der Massenproduktion weg und hin zur
Ideenökonomie entwickeln werden (Softwareindustrien,
Telekommunikationsindustrie).(14)
D. Die Wissenschaftliche Weiterbildung
kann die Reform der Hochschulen entscheidend und auf hohem Niveau
voranbringen.
Wo Grundständiges
und Weiterbildendes Studium aufeinandertreffen, gelangt über die
Beteiligten und ihre unterschiedlichen Erfahrungshorizonte
kontinuierlich Praxis in die Studieninhalte hinein. Das wirkt sich
auf die Angebotsstruktur und deren permanente Fortentwicklung aus.
Die Notwendigkeit, bisher getrennte Bereiche als Zusammenhänge
zu denken, stellt das Innovationspotential schlechthin dar, denn
gerade in den Schnittpunkten bislang getrennter Forschungsbereiche
ist zunehmend die größte wissenschaftliche und
wirtschaftliche Produktivität erreicht worden. Der Auftrag des
bestehenden Hochschulrahmengesetzes, die Studienreform zur "ständigen
Aufgabe" der Hochschulen zu machen (§ 8), könnte so
nach langer Zeit wieder in die Nähe seiner Einlösung
kommen, wohingegen der Bund-Länder-Entwurf zur HRG-Novelle
diesen Paragraphen ersatzlos streichen zu können glaubt.(15)
Gemischte Altersgruppen bieten zudem
Möglichkeiten, der sozialen Abschottung der Generationen
entgegenzuwirken. Kontakte und der tägliche Austausch mit den im
Erwerbsleben Stehenden erleichtern für die fortgeschrittenen
Grundständig-Studierenden zugleich den Übergang ins
Arbeitsleben. Peter Faulstich betont darüber hinaus noch weitere
strukturelle Aspekte: "Insgesamt ist die Weiterbildung eine
Möglichkeit, festgezurrte Lern- und Lebenswege zu öffnen.
Wenn die fortschreitende Akademisierung des Bildungsbereichs, wie
allseits beklagt wird, zu einer Ghettoisierung gegenüber der
Berufs- und Lebenswelt führt, könnte Weiterbildung neue
Verbindungen und Durchbrüche ermöglichen. Aufgrund der
allerdings fast schon wieder problematischen Unfestgelegtheit
bestehen in der Weiterbildung große Gestaltungsspielräume,
welche in anderen Bildungsbereichen so nicht vorliegen."(16)
Die sozial und altersmäßig
heterogener werdende Studierendenschaft bringt es zudem mit sich, daß
die Lehrenden zunehmend auf andersgeartete Kompetenz stoßen und
die Veranstaltungen damit deutlichere Züge eines
Erfahrungsaustausches bekommen; der Wettbewerb um die besten
Fragestellungen und Problemlösungen kann so die Studienpraxis
bestimmen. Anstrebenswert ist, daß diejenigen, die sich im
Weiterbildenden Studium befinden, wo immer dies möglich
erscheint, an der Forschung beteiligt werden. Eine solche Integration
in den Forschungsbetrieb dient der Effizienz der Weiterbildung wie
der Forschung, die auf berufserfahrene Mitarbeitende zurückgreifen
kann.
Die Wissenschaftliche Weiterbildung
wird die Umgestaltung der Studiengänge in modulare Strukturen
vorantreiben. Teil- und Teilzeitstudien, die in anderen Ländern
auch im Grundständigen Studium längst übliche Praxis
sind, könnten so leichter mit entsprechenden
Qualifizierungsnachweisen ausgestattet werden, auch wenn kein
entsprechender wissenschaftlicher Abschluß angestrebt oder
erlangt wird. Wie die "Anregungen zu einer éHochschulreform
´98æ" schon darlegen, ist eine solche
Teilqualifikationsstruktur der generellen Einführung von
Kurzzeitstudiengängen vorzuziehen.(17)
E. Die Verzahnung von Hochschulbildung
und Arbeitswelt, wie sie im Weiterbildenden Studium angelegt ist,
erschließt andere Möglichkeiten des Arbeitsplatzwechsels
zwischen Hochschule und Arbeitswelt.
Wo
Hochschulbildung und Arbeitswelt über einen kontinuierlichen
Erfahrungsaustausch enger aufeinander bezogen sind, ergeben sich neue
Tätigkeitsprofile. Damit diese sich bietenden Möglichkeiten
ausgeschöpft werden können, sind dienstrechtliche
Änderungen im Bereich der Hochschularbeitsplätze
erforderlich. Wann immer sich die Gelegenheit ergibt, daß ein
Hochschulangehöriger seiner forschenden Tätigkeit
sinnvoller außerhalb der Hochschule nachgehen kann, müssen
zeitweilige Übergänge in die außeruniversitäre
Berufswelt möglich werden. Das außeruniversitäre
Engagement einzelner Hochschullehrer muß dann nicht länger
neben den universitären Aufgaben organisiert werden, sondern
wird auf Zeit zum primären Arbeits- und Berufsfeld. Nachdem ein
derartiges Forschungsprojekt abgeschlossen ist, kehrt der
Hochschulangehörige mit anderen Erfahrungen an seinen alten
Arbeitsplatz zurück; er kann zum wichtigen Impulsgeber auch für
diejenigen werden, die an der Hochschule verblieben sind. Für
die Zeit seiner Abwesenheit von der Hochschule stehen befristete
Weiterqualifizierungsstellen zur Verfügung. Besetzt werden
können die auch mit Leuten, die außerhalb der Hochschule
stehen. Die auf solche Weise mögliche bidirektionale Migration
zwischen Hochschule und außeruniversitärer Arbeitswelt
hilft, durch die Einstellungspraxis bedingte Verkrustungen innerhalb
des Lehrkörpers zu verringern. Man begegnet so der aus der
phasenweise verstärkten Einstellung resultierenden zyklischen
Überalterung des Lehrkörpers.
F. Die Wissenschaftliche Weiterbildung
erfordert einen deutlichen Ausbau der Hochschulen; sie schafft im
Gegenzug hochqualifizierte Arbeitsplätze und volkswirtschaftlich
sinnvolle Investitionsmöglichkeiten. Die Finanzierung ist eine
gemeinsame Aufgabe von Staat, Tarifpartnern und
Sozialversicherungsträgern.
Peter
Faulstich stellt auf der Basis der Wissensentwertung eine durchaus
realistische Berechnung der durch die Wissenschaftliche Weiterbildung
steigenden Studierendenzahlen an: "Wenn man die These vom
Veralten des Wissens ernst nimmt, kann z.B. eine éHalbwertzeitæ
des Zerfalls berechnet werden. Nehmen wir an, daß ein
Hochschulstudium durchschnittlich vier Jahre dauert; in zwei Jahren
ein Grundwissen mit Halbwertszeiten von fünfzehn Jahren bis
unendlich vermittelt wird; das in den anderen Jahren Gelernte im
Mittel über alle Fächer eine Halbwertszeit von zehn Jahren
hat; in der Bundesrepublik Deutschland etwa 6 Millionen
Hochschulabsolventen berufstätig sind. Unter diesen Annahmen
ergäbe sich individuell ein durchschnittlicher
Weiterbildungsbedarf von 0,1 Studienjahren pro Jahr û bei 6
Millionen Berufstätigen 0,6 Millionen Studienjahre pro Jahr. Bei
dieser (...) Modellkonstruktion wäre die
Hochschulpopulation von 1,8 auf 2,4 Millionen expandiert. Jeder
dritte (vierte, müßte es heißen) Lernende
wäre Weiterbildungsteilnehmer. Eine realistische Hypothese unter
diesen Bedingungen ist allerdings durchaus, daß der Bedarf an
Weiterbildung schneller wächst als der Bedarf an Erstausbildung
an Hochschulen."(18)
Ohne einen deutlichen Ausbau der bisherigen Hochschulen, das machen
die Zahlen schnell deutlich, ist die ökonomisch wie
gesellschaftspolitisch sinnvolle Erweiterung der Hochschulaufgaben
nicht zu realisieren. Wo auf dem Weiterbildungsmarkt allerdings 34
Milliarden Mark (1996) umgesetzt worden sind, das augenblickliche
Hochschulbudget (rechnet man das der Universitätskliniken einmal
heraus) hingegen etwa 26 Milliarden Mark beträgt, sollte klar
sein, daß es sich bei der notwendigen Erweiterung der
Hochschulen um finanzierbare Dimensionen handelt. Und die so
angesetzten Weiterbildungskosten dürften durchaus am unteren
Ende des schwer zu erhebenden Wertes liegen. Das macht eine
Berechnung deutlich, die vom Bundesministerium für Bildung,
Wissenschaft, Forschung und Technologie aufgestellt wurde. Die dort
hochgerechneten und geschätzten "Aufwendungen für
Weiterbildung" im Jahr 1992 belaufen sich auf eine Gesamtsumme
von 101,9 beziehungsweise 120,4 Milliarden Mark,(19)
wobei die berufliche und die private Weiterbildung in dieser
Berechnung zusammen erfaßt sind. Einen Anhaltspunkt für
die Größenordnung, um die es hier geht, gewähren auch
die Ausgaben, welche die Bundesanstalt für Arbeit in die
berufliche Weiterbildung investierte: 6,0 Mrd. waren es 1988, 5,4
Mrd. im Jahr 1989, 1990 dann 6,3 Mrd., auf Grund der
Arbeitsmarktsituation in den neuen Bundesländern 11,9. im Jahr
1991, im Jahr darauf gar 19 Mrd., 1993 leicht sinkend 17,6 Mrd. und
13,5 Mrd. dann 1994.(20)
Anmerkungen
1) Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers MdB, Rede zur Eröffnung des BMBF-Kongresses "Die Zukunft Deutschlands in der Wissensgesellschaft" am 16. Februar 1998 in Bonn, in: World-Wide-Web, Homepage http://www.bmbf.de/veranstaltungen/min_rede.htm , S. 3.
2) Rüttgers, Rede zur Eröffnung des BMBF-Kongresses, S. 2, 4f.
3) Peter Faulstich, Wissenschaftliche Weiterbildung. Überlegungen zu Aufgaben, Möglichkeiten und Perspektiven von Weiterbildungsaktivitäten an Hochschulen, in: Handbuch Hochschullehre. Informationen und Handreichungen aus der Praxis für die Hochschullehre, Loseblattsammlung Kapitel I.1.1, Juni 1994, S. 5.
4) Faulstich, Wissenschaftliche Weiterbildung, S. 15.
5) Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur berufsbezogenen wissenschaftlichen Weiterbildung, Berlin, 14.11.1997, Drs. 3253/97. û Die "berufsbezogene wissenschaftliche Weiterbildung" wird in den "Empfehlungen" des Wissenschaftsrats, "anders als beispielsweise das weiterbildende Studium im Gesetz über die Universitäten im Lande Baden-Württemberg, enger definiert und von Zusatz-, Ergänzungs- und Aufbaustudien unterschieden." Die Studie beschränkt sich also von vornherein auf einen Sektor der Weiterbildung, der "durch einen engen Nachfrage- und Berufsbezug sowie durch besondere Angebotsstrukturen gekennzeichnet" ist, "bei denen zeitlich kurze Veranstaltungen im Vordergrund stehen." (S. 9, 3) Den Hochschulen werde der "Trend zum paßgenauen Einkauf von Leistung und Wissen durch Unternehmen verstärkt die Chance eröffnen, als selbständige Dienstleister tätig zu werden." (S. 45) Was dann auch in den formulierten "Leitlinien" unter dem Aspekt, die berufsbezogene wissenschaftliche Weiterbildung habe "primär nachfrageorientiert" zu sein, noch einmal bekräftigt wird (S. 48), verdeutlicht eine gewisse Zögerlichkeit, die den "Empfehlungen" insgesamt zugrunde liegt. Die Stellen, an denen den Hochschulen in der Weiterbildung "eine besondere Stärke in der Konzeption prospektiver Angebote" zugesprochen wird (S. 49), bleiben eher in der Minderzahl.
6) Marc Hoch, Professoren scheuen die Feuerprobe. Der Wissenschaftsrat empfiehlt den Hochschulen, sich endlich dem Weiterbildungsmarkt zu öffnen, Süddeutsche Zeitung, 17. Januar 1998, Seite "Bildung und Beruf".
7) Berichtsystem Weiterbildung VI. Integrierter Gesamtbericht zur Weiterbildungssituation in Deutschland, hg. vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Bonn 1996, S. 59.
8) Berichtsystem Weiterbildung VI, S. 75. û Aufschlußreich sind auch die Entwicklungen in den alten und neuen Bundesländern: "Verglichen mit 1991 ist der Anteil der beruflichen Weiterbildung am gesamten Weiterbildungsvolumen in den alten Bundesländern um zehn Prozentpunkte zurückgegangen, während er in den neuen Bundesländern um 14 Prozentpunkte zugenommen hat. Auch wenn die Volumenanteile nicht als prozentgenaue Angaben zu verstehen sind, ist die Tendenz eindeutig. (...) Der durchschnittliche Zeitaufwand pro Teilnahmefall liegt bei der beruflichen Weiterbildung in den neuen Bundesländern mehr als doppelt so hoch wie in den alten Ländern (176 Std. vs. 81 Std.)." (S. 61, 63)
9) Hochschulen für das 21. Jahrhundert, S. 13f.
10) Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes (HRG). Gesetzentwurf der Abgeordneten Matthias Berninger, Andrea Fischer (Berlin), Rita Grießhaber, Antje Hermenau, Kristin Heyne, Dr. Manuel Kiper, Dr. Angelika Köster-Loßack, Kerstin Müller (Köln), Egbert Nitsch (Rendsburg), Cem Özdemir, Simone Probst, Irmingard Schewe-Gerigk, Rezzo Schlauch, Werner Schulz (Berlin), Dr. Antje Vollmer, Helmut Wilhelm (Amberg), Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Deutscher Bundestag Drucksache 13/8824, § 3 Absatz 3, S. 4.
11) "Hochschulen werden ihre Ausbildungsschwerpunkte verändern müssen. Die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses wird in Zukunft nur noch eine wichtige Aufgabe neben vielen anderen sein. Hochschulen werden künftig mehr Menschen ausbilden, die jetzt noch das duale System der Berufsausbildung durchlaufen. Sie werden ihre Absolventinnen und Absolventen weniger auf abhängige Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst und mehr auf Selbständigkeit und Existenzgründungen vorbereiten müssen. Mit dem lebenslangen und lebenbegleitenden Lernen kommt eine neue Aufgabe auf die Hochschulen zu. Dieses lebenslange Lernen, ein Schwerpunkt auch der EU- und Europaratspolitik, läßt sich nicht mehr auf lineare Fortbildung Erwachsener reduzieren." (Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes (HRG), BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, S. 18) û "Absatz 3 integriert die Weiterbildung, zunächst ohne direkten Bezug zu Weiterbildungsstudien. Die Dynamik der wissenschaftlichen Entwicklung und die vielfältigen Außenbeziehungen der Hochschulen lassen eine Vielzahl von Weiterbildungsaktivitäten zu. Die Zusammenarbeit mit der Arbeitsverwaltung kann auch Aktivitäten im Bereich von éPlacementæ und éRetrainingæ fördern." (S. 21)
12) Edelgard Bulmahn, Sozialdemokratischer Vorschlag für die Zukunft der Hochschulen û Fachkonferenz "Zukunft der Hochschulen in der lernenden Gesellschaft" am 21. Juni 1997, Fassung vom 25. Juni 1997, s.v. III. Handlungsfelder, Handlungsfeld 3: Studienreform.
13) Faulstich, Wissenschaftliche Weiterbildung, S. 11.
14) Siehe dazu Uwe Jean Heuser, Tausend Welten. Die Auflösung der Gesellschaft im digitalen Zeitalter, Berlin 1996, S. 41-46. û "Ideenproduktion hat es schon immer gegeben. Doch während sie über Jahrhunderte nur einen relativ kleinen Teil des Wirtschaftens ausmachten, bestimmen sie heute immer stärker die Wertschöpfung in den verschiedenen Branchen. Rohstoffe und andere Ingredienzen klassischer Produkte spielen dementsprechend eine geringere Rolle. Das beliebteste Beispiel dafür sind Mikrochips û sie bestehen aus Sand, einem überaus billigen und nicht gerade knappen Rohstoff." (S. 17) "Nicht daß die Produktion klassischer Prägung völlig verschwindet, doch sie verliert weiter an Bedeutung und ist nicht mehr das bestimmende Moment moderner Volkswirtschaften. Wettbewerbsvorteile entstehen nun durch Ideen. Mehr und mehr bestimmen die Software über den Wert von Gütern und über die Wettbewerbsstellung eines Unternehmens wie auch der gesamten Volkswirtschaft." (S. 19)
15) Mit dem § 8a, der die Studienreform zur "ständigen Aufgabe" der Hochschulen erklärt, wird im Bund-Länder-Entwurf der Stachel im eigenen Fleisch der Hochschule entfernt. Wo die gesetzliche Verpflichtung zur Studienreform entfällt, geht das Recht, diese erforderlichenfalls einklagen zu können, verloren. Das HRG verliert damit seine juristische Basis, sich außer- wie inneruniversitären Veränderungen anpassen zu müssen. Der Bund-Länder-Entwurf schreibt durch den Fortfall des § 8 die in diesem Reformschritt geschaffene Form eher fest, als daß er das Bewußtsein für deren Gemachtsein und damit für ihre Veränderbarkeit schafft. Weniger Vorschrift ist hier also nicht mehr an Autonomie, denn wo eine derart zentrale Aufgabenstellung als rechtlich bindende aufgegeben wird, tritt an die Stelle von Rechtssicherheit potentiell die Willkür der jeweils Handelnden. Wenn man Reform als permanentes Anliegen streicht, droht viel eher jene Verkrustung, die in der Konsequenz ab einem gewissen Grad jede Modernisierung unmöglich macht. Man schafft so Polarität, wo kontinuierlicher Fortschritt möglich und sinnvoller wäre. Indem das Prozessuale nicht länger juristisch bindend festgeschrieben bleibt, erscheint der vorgebliche Anspruch auf Autonomie als das, was er im Bund-Länder-Entwurf tatsächlich ist: ein Raum wird geschaffen, in dem die Reformzuständigkeit nicht mehr den Hochschulen zugewiesen ist, sondern den Mechanismen der Ökonomisierung anheimfallen kann. Daß es überhaupt so weit kommen konnte û das bleibt selbstkritisch festzuhalten û ist eine Folge davon, daß die Hochschulangehörigen ihrer Reformaufgabe zu oft zu schlecht nachgekommen sind. Gerade dieser Dauerauftrag zur Reform ist in der Auseinandersetzung um Bestand, Macht und Mittel zu häufig unter dem ökonomischen Druck, mit dem die Hochschulen seit Jahrzehnten konfrontiert werden, dem verständlichen Versuch der Bestandssicherung untergeordnet worden, darüber bisweilen, so scheint es, schlicht vergessen worden.
16) Faulstich, Wissenschaftliche Weiterbildung, S. 12.
17) "Die berufsqualifizierenden Abschlüsse an den Hochschulen sind wissenschaftlicher Art. Die Informationsgesellschaft hat einen Bedarf für derartige Qualifikation. Anstatt Kurzzeitstudiengänge mit berufsqualifizierendem Abschluß (Bachelor wie in § 19 HRG-Entwurf) zu erproben und dementsprechend postgraduale Studiengänge zur wissenschaftlichen Qualifizierung vorzusehen (§ 12 HRG-Entwurf), ist der mit einem gesetzlichen Rahmen zu versehende modulare Aufbau der Studiengänge zu fördern, in dem Teil- und Teilzeitstudien durch Qualifizierungsnachweise auch ohne entsprechenden wissenschaftlichen Abschluß gekennzeichnet werden. Forschung, Lehre und Berufswelt sind dabei als drei Bereiche sinnvoll aufeinander abzustimmen und in der Arbeit der Hochschulen wechselseitig aufeinander zu beziehen." (Anregungen zu einer "Hochschulreform ´98. Entwurf der HRG-AGs an der WWU, 17.12.1997, http://www.uni-muenster.de/DeutschePhilologie2/vonhhrg2.htm.)
18) Faulstich, Wissenschaftliche Weiterbildung, S. 7.
19) Berichtsystem Weiterbildung VI, S. 316f. Zur näheren Erklärung heißt es dort:
20) Berichtsystem Weiterbildung VI, S. 315.
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zuletzt aktualisiert am 1.5.1998