Zum Entwurf des Kabinetts für ein neues HRG: wissenschaftspolitisches Konzept; Legitimationsfrage [2 S. vom 4.12.97] (Deutsche Philologie II: Dirk Boberg, Iris Determann, Svenja Kunze, Kirsten Ludwig, Jörg Meyer, Britta Richter, Johannes Sabel)
§ 2 (Aufgaben): neu erarbeiteter Entwurfstext mit Erweiterungen zum Aspekt der Weiterbildung, Kommentierung [2 S., 3. Fassung vom 9.12.97] (Deutsche Philologie II: Nils Rosenbohm)
§ 2 (Aufgaben) und § 3 (Gleichberechtigung) : neu erarbeiteter Entwurfstext mit Kommentierung (HRG-Arbeitskreis am Philosophischen Seminar der WWU Münster)
§ 8 (Studienreform): neu erarbeiteter Entwurfstext, ausführliche Kommentierung auch zum Scheitern bisheriger Reformbemühungen [3 S., 2. Fassung vom 6.12.97] (Deutsche Philologie II: Dr. Gert Vonhoff)
§ 39 (Wahlen): Entwurfstext, Kommentierung [1 S. vom 5.12.97] (Deutsche Philologie II: Dr. Gert Vonhoff)
Die entfreiende Freiheit û Zur Deregulierung im neuen HRG : (Deutsche Philologie II: Sabine Porschen, Uli von Thenen, Christian Kaase, Thorsten Zumloh, Tobias Gombert)
HRG-AG Deutsche Philologie II
AK
Demokratiebegriff, Öffentlichkeit, Weiterbildendes Studium -
Gesetze erfahrbar machen
Nils
Rosenbohm (9.12.1997 / 3.
Fassung)
§ 2 (Aufgaben) - vorläufiger Entwurfstext
1Die Hochschulen dienen entsprechend ihrer Aufgabenstellung der Pflege und der Entwicklung der Wissenschaften, der Künste, der Bildung und der Weiterbildung durch Forschung, Lehre und Studium in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat. 2Sie bereiten auf berufliche Tätigkeiten vor, die die Anwendung und die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse und wissenschaftlicher Methoden oder die Fähigkeit zu künstlerischer Gestaltung erfordern.
Die Hochschulen fördern entsprechend ihrer Aufgabenstellung den wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchs.
Die Hochschulen beteiligen sich an Veranstaltungen der Weiterbildung. Sie fördern die Weiterbildung ihres Personals.
Die Hochschulen wirken an der sozialen Förderung der Studierenden mit; sie berücksichtigen die besonderen Bedürfnisse von Studierenden mit Kindern und von behinderten Studierenden.
Die Hochschulen fördern die internationale, insbesondere die europäische Zusammenarbeit im Hochschulbereich und den Austausch zwischen deutschen und ausländischen Hochschulen; sie berücksichtigen die besonderen Bedürfnisse ausländischer Studierender.
1Die Hochschulen wirken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben untereinander und mit anderen staatlichen und staatlich geförderten Forschungs- und Bildungseinrichtungen zusammen. 2Dies gilt insbesondere für die nach der Herstellung der Einheit Deutschlands erforderliche Zusammenarbeit im Hochschulwesen.
Aufgabe der Hochschulen ist auch der Wissens- und Technologietransfer.
Die Hochschulen unterrichten die Öffentlichkeit über die Erfüllung ihrer Aufgaben.
1Die unterschiedliche Aufgabenstellung der Hochschularten nach § 1 Satz 1 und die Aufgaben der einzelnen Hochschulen werden durch das Land bestimmt. 2Andere als die in diesem Gesetz genannten Aufgaben dürfen den Hochschulen nur übertragen werden, wenn sie mit den in Absatz 1 genannten Aufgaben zusammenhängen.
Vorläufige Kommentierung zu § 2 des HRG:
Erklärung der Siglen:
HRG (a): Das derzeit gültige
Hochschulrahmengesetz ("alt")
HRG (bl): Der Bund-Länder-Entwurf
zum neuen Hochschulrahmengesetz
HRG
(fzs): Der Entwurf des freien zusammenschlusses von
studentInnenschaften
HRG
(n): Der Entwurf der AG Demokratiebegriff, Öffentlichkeit,
Weiterbildendes Studium ("neu")
Detailkommentierung:
Absatz 1 Satz 1: Weiterbildung ist nicht zu begreifen
als Instrument der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften und
Künste [vgl. HRG (bl)], sondern sie ist ein weiterer
konstitutiver Aufgabenbereich der Hochschulen. Sie schafft
gesellschaftliche Relevanz außerhalb der Forschung.
Notwendig
ist, § 21 (a) beizubehalten, da dieser Näheres zum
weiterbildenden Studium regelt. Bildung als weiteres Ziel
festzuschreiben fördert darüber hinaus die Präsenz
der Hochschulen in der Gesellschaft. Diese Präsenz war zwar im
HRG (a) als Möglichkeit nicht ausgeschlossen, hatte aber nicht
annähernd diesen Stellenwert.
Die
Differenzierung in Bildung und Weiterbildung trägt den
geänderten wissenschaftlichen und beruflichen Rahmenbedingungen
Rechnung. Statt Weiterbildung als Studium im Alter zu
marginalisieren, erschließt die studiengangsspezifische
Ausgestaltung des Zieles Weiterbildung den Hochschulen die Bereiche,
die bislang der innerbetrieblichen und außeruniversitär-beruflichen
Weiterbildung vorbehalten blieben.
Absatz 1 Satz 2: Direkt aus der Hochschulbildung abgeleitete Wissensvermittlung transportiert wissenschaftliche Erkenntnis und wissenschaftliche Methoden in die Gesellschaft. Auch kritische Reflexion von Inhalten und Methoden außerhalb der Hochschulen wird somit möglich.
Absatz 3: Durch die Aufnahme der Weiterbildung in § 2 (1) (bl) erübrigt sich die Aufführung des weiterbildenden Studiums in §2 (3) (bl). Festzuschreiben ist jedoch die Beteiligung an Veranstaltungen der Weiterbildung, da diese auch Formen der Lehre und des Lernens beinhaltet, die nicht hochschulspezifisch sind. Eine Zusammenarbeit mit anderen Bildungseinrichtungen etc. soll so ermöglicht und gefördert werden.
Absatz 4 Satz 2: "Sie fördern in ihrem Bereich den Sport." Die Förderung des Sports zählt nicht zu den hochschulspezifischen Aufgaben. Alternativ könnte ein Absatz die Förderung von æAusgleichsaktivitätenÆ regeln.
Absatz 7: § 2 (7) (bl) tritt an die Stelle der Weiterbildungsverpflichtung durch § 2 (4) (a). Wissens- und Technologietransfer ist ergebnisorientierte Zusammenarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen. Der Weiterbildungsauftrag bleibt hier unberücksichtigt und ist auch nicht abgedeckt durch § 2 (1) (bl), da dort Weiterbildung instrumentalen Charakters ist (vgl. Kommentierung zu § 2 Absatz 1 Satz 1). Kombiniert werden muß § 2 (7) (bl) demnach mit einem die Weiterbildungsformen außerhalb der Hochschule betreffenden Absatz [vgl. § 2 (4) (a)]. Nur so ist gewährleistet, daß die ergebnisorientierte Hochschulkonzeption des HRG (bl) in einer verbesserten Fassung nicht dominiert. (Wissenschaftliche) Weiterbildung innerhalb und außerhalb der Hochschule ist ein Wert an sich.
Gesamtkommentierung des § 2 (bl):
Auf den ersten Blick stellt § 2 des HRG (bl) lediglich
eine leicht überarbeitete -vielleicht ,modifizierteÆ-
Fassung des entsprechenden § des HRG (a) dar. Interpretiert
jedoch im Kontext des gesamten Bund-Länder-Entwurfs, zeigt sich
sowohl seine implizite Zielsetzung als auch seine Funktion innerhalb
des HRG (bl).
So ist
erkennbar, daß Weiterbildung -bestehend aus "weiterbildendem
Studium" und "Beteiligung an Veranstaltungen der
Weiterbildung"- von einem wesentlichen, nicht weiter zu
begründenden Aufgabenbereich der Hochschulen in § 2 Absatz
4 (a) zu einem Instrument der "Pflege und der Entwicklung der
Wissenschaften und der Künste" reduziert wird. Durch die
Aufnahme in den ersten Absatz scheint der Weiterbildung ein höherer
Stellenwert beigemessen zu werden. Das Gegenteil ist der Fall.
Einmal erwähnt an exponierter Stelle, ist Weiterbildung im
folgenden nur noch von sehr untergeordneter Bedeutung für das
Hochschulkonzept des Bund-Länder-Entwurfs. Wo zuvor ein eigener
ausdifferenzierender Absatz seinen Platz hatte (§ 2 Absatz 4
a), bleibt ein Absatz als Fragment erhalten, der nur noch die
Weiterbildung des Hochschulpersonals vorsieht ( § 2 Absatz 3
bl). Anstelle der Weiterbildungsverpflichtung tritt die
Verpflichtung zum "Wissens- und Technologietransfer".
Durch die im Bund-Länder-Entwurf vorgenommene Streichung des §
21 (a), der das weiterbildende Studium regelt, ist Weiterbildung als
eigenständiger Aufgabenbereich der Hochschulen dann faktisch
beseitigt.
Was hier
exemplarisch gezeigt ist, bildet ein wesentliches Funktionsprinzip
des Bund-Länder-Entwurfs zum HRG: Es werden zentrale Aspekte
der Hochschulbildung, wie sie bisher zumindest auf dem Papier
Bestand hatten, entfernt oder zumindest instrumentalisiert. Das Ziel
gibt der Markt vor: Hochschule wird zur Produktionsstätte von
Wissen und Technologie, mit etwas Vorstellungsvermögen läßt
sich auch das "Wissen" näher beschreiben: Wissen für
Technologie; Wissen also, das Technologie handhabbar macht und
diese erdenkt. Wo die Wissenschaft, die die Grundstrukturen und die
Erscheinungsformen der Gesellschaft und also auch die Wissenschaft
selbst reflektiert, bleibt in einer Konzeption, die nur auf
Ergebnisse zielt, Bildungsprozesse als Ziel eigener Qualität
aber nicht mehr denkbar erscheinen läßt, beantwortet das
HRG (bl) nicht. Zu vermuten ist, daß für diese Form der
Wissenschaft (aus naheliegenden Gründen) kein Platz mehr im
,neuenÆ Hochschulkonzept bleibt.
Daß
gerade das HRG (bl) den freiheitlichen, demokratischen und sozialen
Rechtsstaat in seine Konzeption aufnimmt und ihm eine zentrale
Stelle im Legitimationszusammenhang zuweist [§ 2 Absatz 1 Satz
1 (bl)], zeigt im Kontext wiederum die ,AblenkungsfunktionÆ
des § 2 Absatz 1 (bl). Nachdem die Demokratie und der
Rechtsstaat als Grundlagen der Hochschulbildung einmal hochgehalten
wurden, werden sie dann im Gesetzestext weitgehend vernachlässigt.
Hingewiesen sei hier z. B. auf die Streichung des § 39 (a) im
Bund-Länder-Entwurf, der die Regelung von Wahlen an Hochschulen
zum Gegenstand hat. Im Hinblick auf eine demokratisch verfaßte
Studierendenschaft wird kein Fortschritt erzielt; es bleibt
Ländersache, einem demokratisch legitimierten
Studierendengremium ein Existenzrecht zuzuschreiben (§ 41
Absatz 1 des Bund-Länder-Entwurfs). Das gesamte HRG (bl)
dokumentiert den Rückzug des vordergründig die oberste
Werteinstanz im Text repräsentierenden Rechtsstaats aus seiner
Verantwortung für die Hochschulen.
HRG-Arbeitskreis am Philosophischen Seminar der WWU Münster
§ 2 (Aufgaben) û Vorläufiger Entwurf
1Die Hochschulen arbeiten entsprechend ihrer Aufgabenstellung an der Entwicklung der Wissenschaften und Künste durch Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung für einen und in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat mit. 2Sie bereiten auf gesellschaftliche und berufliche Tätigkeiten vor, die die Anwendung wissenschaftlichen Erkennens, wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden oder die Fähigkeit zu künstlerischer Gestaltung erfordern.
Die Hochschulen fördern entsprechend ihrer Aufgabenstellung die Studierenden und den wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchs.
1Die Hochschulen dienen dem weiterbildenden Studium und beteiligen sich an Veranstaltungen der Weiterbildung. 2Die Hochschulen fördern die Weiterbildung ihres Personals. Näheres regelt der §21 dieses Gesetzes.
1Die Hochschulen wirken an der sozialen Förderung der Studierenden mit; die Hochschulen tragen für die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von behinderten Studierenden und Studierenden mit Kindern Sorge. 2Die behindertengerechte Ausstattung der Hochschulen sowie eine ebensolche Organisation des Studiums sind Aufgabe der Hochschulen.
Die Hochschulen fördern die internationale, insbesondere die europäische Zusammenarbeit im Hochschulbereich und den Austausch zwischen deutschen und auländischen Hochschulen; sie berücksichtigen die besonderen Bedürfnisse ausländischer Studierender.
1Die Hochschulen wirken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben untereinander und mit anderen staatlichen und staatlich geförderten Forschungs- und Bildungseinrichtungen zusammen. 2Dies gilt insbesondere für die nach der Herstellung der Einheit Deutschlands erforderliche Zusammenarbeit im Hochschulwesen.) 3Die umfassende und kontinuierliche Ausbildung an einer Hochschule muß gewährleistet bleiben.
Aufgabe der Hochschulen ist der Transfer von Forschungsergebnissen und Technologie auf der Grundlage der in Absatz 1 Satz 2 dieses Paragraphen entwickelten Wissens- und Erkenntnisbegriffs.
1Die Hochschulen fördern in ihrem Bereich den Umweltschutz. 2Zudem fördern sie Kultur und Sport.
Die Hochschulen unterrichten die Öffentlichkeit über die Erfüllung ihrer Aufgaben.
1Die unterschiedliche Aufgabenstellung der Hochschularten nach §1 Satz 1 und die Aufgaben der einzelnen Hochschulen werden durch das Land bestimmt. 2Andere als die in diesem Gesetz genannten Aufgaben dürfen den Hochschulen nur übertragen werden, wenn sie mit den in Absatz 1 genannten Aufgaben zusammenhängen.
Vorläufiger Kommentar
Zu §2:
Die Aufgabenstellung der Hochschulen enthaltend, bietet der §2 eine Wesensbestimmung, die in der allgemeinen Struktur des HRG als grundlegend betrachtet werden muß: von den allgemeinen zu den speziellen Gesetzen enthält er den Wertungsmaßstab für die folgenden Paragraphen. Der Entwurf des Freien Zusammenschlusses von StudentInnennschaften orientiert sich am geltenden HRG-Text unter Ergänzung der weiblichen Geschlechterformen. Der Entwurf des Kabinetts ergänzt einerseits in §2, Absatz 1, Satz 1 die Weiterbildung als Aufgabe û ersetzt damit den Absatz 4, Satz 1 des Paragraphen 2 im bestehenden HRG û und ergänzt andererseits, daß die Universität in einem "freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat" wirken soll. Der §2 Absatz 2 wird durch den §3 (Gleichberechtigung) ersetzt. In §2, Absatz 4, Satz 1 wird als neue Aufgabe der Hochschulen die Förderung von Studierenden mit Kindern formuliert. §2, Absatz 6, Satz 2 wird neu eingesetzt und betont die Zusammenarbeit in Hinblick auf die Vereinigung Deutschlands.
Allgemeiner Kommentar:
Obwohl sich im Vergleich zu anderen Paragraphen nicht viel geändert zu haben scheint, gewinnen die Einzelheiten in dieser Aufgabenzuweisung an Bedeutung. Dabei können drei wesentliche Aspekte genannt werden:
die fachliche Kompetenz der Hochschulen, die in Forschung und Lehre wahrgenommen wird;
die soziale Verantwortung der Hochschule gegenüber ihren Mitgliedern und
die Verantwortung vor der gesellschaftlichen Öffentlichkeit, sowie die Wirkungsmöglichkeit im außerhochschulischen Bereich.
In dem §2 der verschiedenen HRG-Fassungen kondensieren sich
Bilder von Hochschule und ihren Mitgliedern, die sich in der
unterschiedlichen Akzentuierung auszeichnen. Der vorliegende Entwurf
versucht im Sinne der Studierenden und aller anderen Beteiligten der
Universitäten, die Schwerpunkte anders zu setzen. Dabei ist die
Vernetzung der drei Aspekte besonders zu beachten: Forschung und
Lehre sollten auch weiterhin allen Mitgliedern ermöglicht
werden, wozu die spezifisch sozialen Verhältnisse stärker
in Betracht kommen müssen, gerade unter dem Gesichtspunkt einer
sich verschärfenden sozialen Differenzierung; dieser Anspruch
kann aber nur gestellt werden, wenn andererseits auch die
gesellschaftliche Bedeutung der Hochschulen stärker wird. Dabei
ist auch auf den Begriff der Autonomie zu rekurrieren: Freiheit der
Hochschule ist Voraussetzung für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben
für die demokratische Gesellschaft.
Die passiv-reflexive
Definition der Hochschule gegenüber der Gesellschaft enthält
in ihrem Kern hingegen schon die Unfreiheit, die im weiteren einer
ökonomisierenden Fremdbestimmtheit Raum läßt.
Parallel dazu fehlt jegliche Differenzierung von Wissen als
prozessualer und reflektierter Größe und Wissen in Form
von faktischen Forschungsergebnissen. Quantifizierbare Ergebnisse
werden verkürzend mit qualitativer Gestaltungskraft
gleichgesetzt.
Dabei muß wohl betont werden, daß es
sich in §2 nicht um eine faktische Darstellung handeln kann,
sondern um die ideale Vorstellung, an der sich tatsächliche
Praxis messen lassen muß und die erst in einer Konkretisierung
Wirkkraft entwickeln kann. Bezeichnend bleibt, daß nicht die
Finanzierung am Anfang steht, sondern der von allen Hochschulen zu
bietende Rahmen für gesellschaftliche Bildung. Allerdings wäre
noch festzustellen, daß eine Verpflichtung des Staates und der
Länder gegenüber der Bildung im HRG fehlt. In der
gegenwärtigen Situation hingegen ist auch auf die Pflicht einer
besser gesicherten Finanzierung der Universität zu verweisen,
die notwendig an der Qualitätssicherung von Forschung und Lehre
teilhat.
Einzelstellenkommentare
Zu Absatz 1, Satz 1: Inhaltliche Aufgaben
Entgegen der
Formulierung des Kabinetts wird die aktive Mitarbeit der Hochschulen
an der Gesellschaft als Auftrag betont.
Zu Absatz 1, Satz 2: Vorbereitung und Ziel der Ausbildung
Als
Aufgabe der Hochschulen wird auch die gesellschaftliche Tätigkeit
gesehen, die im Sinne des erweiterten §2, Absatz 1, Satz 1
verstanden wird. Die weitere Ergänzung trägt dem
differenzierteren Bildungsbegriff Rechnung, der in der
reflektierenden Kompetenz und erst in zweiter Linie in
faktisch-finalem Wissen fußt, so daß der durchdachte und
sich weiterentwickelnde Erkenntnisprozeß als Teil der
Wissenschaft berücksichtigt ist. Damit wird als notwendig
betrachtet, die Erkenntnisfähigkeit stärker zu betonen,
auch um gesellschaftliches Gestaltungspotential zu fördern.
Zu Absatz 2: Förderung des wissenschaftlichen und
künstlerischen Nachwuchses
Unter wissenschaftlichen und
künstlerischem Nachwuchs werden hier Hochschulabsolventen
verstanden, die "sich ggf. über Promotion und Habilitation
auf die Tätigkeit als Hochschullehrer" vorbereiten. Die
Aufgabe der Hochschulen, die Studierenden durch forschendes Lernen zu
fördern, bleibt dadurch unangetastet.
Zu Absatz 3: Aufgabe der Weiterbildung
In diesem Absatz
wird ein wesentlicher Teil der Hochschule formuliert, der dem
prozessualen Wissensbegriff verpflichtet ist und der Einschränkung
auf berufsqualifizierende Abschlüsse entgegensteht. Die stärkere
Mitwirkung der Hochschulen an der Gesellschaft findet so Ausdruck.
Mit weiterbildenden Projekten ist dabei neben dem Studium im Alter
auch die stärkere Vernetzung von Forschung und Praxis
anzustreben. Die Ergänzung in Absatz 1, Satz 1 reicht für
die wachsende Bedeutung dieses Aspektes nicht aus, deswegen wird in
dem vorliegenden Entwurf der erste Satz des Absatzes aus dem
bestehenden HRG übernommen und auf den §21 verwiesen, der
nach dem Kabinettentwurf entfiele.
Absatz 4, Satz 1: Soziale Verpflichtung
Die soziale
Verpflichtung soll stärker betont werden, so daß nicht nur
Mitwirkung, sondern Sorgepflicht bezüglich der Berücksichtigung
innerhalb des Geltungsbereichs der Hochschulen festgeschrieben wird.
Zudem soll die Hochschule als "Anwältin" der
besonderen Berücksichtigung wirken: sie kann somit den Rahmen
für sozial gleiche Möglichkeiten bieten und gleichzeitig
bei den anderen verantwortlichen Stellen (wie dem Land und dem Bund)
die Sorgepflicht geltend machen.
Zu Absatz 4, Satz 2: Ausstattung und behindertengerechte
Organisation des Studiums
Der neueingefügte Satz
konkretisiert die Verpflichtung der Hochschulen innerhalb ihres
Bereiches. Da bauliche Maßnahmen im einzelnen nicht immer
durchführbar sein dürften, ist in der Organisation auf
entsprechende Kompensation zu verweisen. Beispielsweise ist bei
gehbehinderten Studierenden in den einzelnen Instituten die
Erreichbarkeit der einzelnen Räume, in denen Lehrveranstaltungen
abgehalten werden, zu gewährleisten. Dabei bleibt der Absatz 4,
Satz 2 unangetastet: die Gesellschaft bleibt für die gleichen
Möglichkeiten aller verantwortlich.
Absatz 5: Förderung ausländischer Studierender
Der
Absatz wird übernommen. Allerdings müßte in der
weiteren Untersuchung das bestehende Ausländerrecht kritisch
bearbeitet werden, da es einschränkende, auch das Studium
betreffende Regelungen enthält.
Zu Absatz 7: Transfer von Forschungsergebnissen und
Technologie
Im Sinne des differenzierteren Wissensbegriffes
wurde der Absatz verändert.
Zu Absatz 8: Förderung des Umweltschutzes, der Kultur und
des Sports
Als wesentlich wird die Förderung des
Umweltschutz betrachtet, sowohl bezogen auf die Lehrinhalte als auch
auf die Organisation und Ausstattung der Hochschulen. Kulturelle
Veranstaltungen und der Hochschulsport werden ebenfalls ermöglicht.
§2, Absatz 4, Satz 2 des Kabinettentwurfes entfällt.
Zu Absatz 9: Information der Öffentlichkeit
Der
Absatz wird übernommen, wobei Öffentlichkeit wie folgt
verstanden wird: "Die Erfüllung der Aufgaben der Hochschule
wird durch eine Information der Öffentlichkeit gefördert.
Die öffentliche Rechenschaft entspricht der Verantwortung für
Forschung, Lehre und Studium und ist das gesellschaftlich notwendige
Gegenstück zur Freiheit von Forschung, Lehre und Studium sowie
der den Hochschulen eingeräumten Selbstverwaltung. Die
Öffentlichkeitsarbeit bietet darüber hinaus den
Ausgangspunkt für eine Rückmeldung und damit für eine
Steigerung des Praxisbezugs von Forschung und Lehre.(...) Begrenzt
wird die Berichtspflicht durch die Aufgaben der Hochschule. Sie steht
deshalb im allgemeinen ohne jede Beziehung zur Arbeit der
Hochschulgremien und damit zu §40 (...)." Zusätzlich
sollte jedoch betont werden, daß direkte institutionelle
Ansprüche der Öffentlichkeit gegenüber den Mitgliedern
auf Forschung und Lehre bezogen nicht bestehen, weil es ihrer
Freiheit widerspräche.
1Die Hochschulen fördern die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung im Sinne des allgemeinen Gleichheitssatzes sowie der speziellen Gleichheitsrechte gemäß Art.3 GG. 2Die Mitwirkung besonderer Beauftragter für diese Aufgaben regelt das Landesrecht im Sinne dieses Gesetzes (vgl. §65a-67b im Entwurf des Freien Zusammenschlusses von StudentInnenschaften).
Allgemeiner Kommentar
Die Beschränkung auf die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern greift zu kurz, daher scheint es sinnvoll, sich explizit auf den Art.3 GG zu beziehen. Ein Verweis auf die konkrete Gestaltung, wie sie der fzs vorsieht, trägt zur Eindeutigkeit bei, ohne daß damit der Gestaltungsfreiraum im Landesrecht aufgehoben werden sollte: weitreichendere Funktionen als im HRG bestimmt, sollen in die Länderkompetenz fallen.
HRG-AG Deutsche Philologie II
AG
Demokratiebegriff, Öffentlichkeit, Weiterbildendes Studieren û
Gesetze erfahrbar machen
Dr.
Gert Vonhoff (6.12.1997; Fassung 2)
§ 8 (Studienreform) û Vorläufiger Entwurfstext
(1) 1Die Hochschulen haben die ständige Aufgabe, im Zusammenwirken mit den zuständigen staatlichen Stellen Inhalte und Formen des Studiums im Hinblick auf die Entwicklungen in Wissenschaft und Kunst, die Bedürfnisse der beruflichen Praxis und die notwendigen Veränderungen in der Berufswelt zu überprüfen und weiterzuentwickeln. 2Die Verpflichtung zur Studienreform soll gewährleisten, daß
die Studieninhalte im Hinblick auf Veränderungen in der Berufswelt den Studierenden breite berufliche Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen;
die Formen der Lehre und des Studiums den methodischen und didaktischen Erkenntnissen entsprechen;
die Studierenden befähigt werden, Studieninhalte wissenschaftlich selbständig zu erarbeiten und deren Bezug zur Praxis zu erkennen und (in forschendem Lernen) einzuüben;
die Gleichwertigkeit einander entsprechender Hochschulabschlüsse gewährleistet bleibt und die Möglichkeit des Hochschulwechsels (gerade auch an ausländische Hochschulen) verbessert wird;
die Weiterbildung als Tätigkeitsfeld der Hochschulen ausgebaut wird.
(2) 1Zur Erprobung von Reformmodellen können besondere Studien- und Prüfungsordnungen erlassen werden, die neben bestehende Ordnungen treten. 2Die Erprobung von Reformmodellen soll nach einer festgesetzten Frist unter Beteiligung aller nach dem BVerfGE-Urteil vom 29. Mai 1973 (1 BvR 424/71) jeweils für zuständig erklärten Gruppen begutachtet werden.
(3) Für einen neuen Studiengang soll der Lehrbetrieb erst aufgenommen werden, wenn die Genehmigung oder der Erlaß einer entsprechenden Prüfungsordnung erfolgt ist.
(4) Die Hochschulen unter Beteiligung aller nach dem BVerfGE-Urteil vom 29. Mai 1973 (1 BvR 424/71) jeweils für zuständig erklärten Gruppen treffen die für die Studienreform und für die Förderung der Hochschuldidaktik notwendigen Maßnahmen.
Vorläufige Kommentierung
Zu § 8 insgesamt:
Situationsdarlegung
§
8 des bestehenden HRGs (§ 8a) ist im Bund-Länder-Entwurf
(§ 8bl) ersatzlos gestrichen, der Entwurf des freien
zusammenschlusses von studentInnenschaften (§ 8fzs) enthält
den alten § 8a bis auf eine geschlechterneutrale Umformulierung
unverändert.
Globalkommentar
Mit dem § 8a, der
die Studienreform zur "ständigen Aufgabe" der
Hochschulen erklärt, wird im Bund-Länder-Entwurf der
Stachel im eigenen Fleisch der Hochschule entfernt. Wo die
gesetzliche Verpflichtung zur Studienreform entfällt, geht das
Recht, diese erforderlichenfalls einklagen zu können, verloren.
Das HRG verliert damit seine juristische Basis, sich außer-
wie inneruniversitären Veränderungen anpassen zu müssen.
Der Bund-Länder-Entwurf schreibt durch den Fortfall des §
8 die in diesem Reformschritt geschaffene Form eher fest, als daß
er das Bewußtsein für deren Gemachtsein und damit für
ihre Veränderbarkeit schafft. Weniger Vorschrift ist hier also
nicht mehr an Autonomie, denn wo eine derart zentrale
Aufgabenstellung als rechtlich bindende aufgegeben wird, tritt an
die Stelle von Rechtssicherheit potentiell die Willkür der
jeweils Handelnden. Wenn man Reform als permanentes Anliegen
streicht, droht viel eher jene Verkrustung, die in der Konsequenz ab
einem gewissen Grad jede Modernisierung unmöglich macht. Man
schafft so Polarität, wo kontinuierlicher Fortschritt möglich
und sinnvoller wäre. Indem das Prozessuale nicht länger
juristisch bindend festgeschrieben bleibt, erscheint der vorgebliche
Anspruch auf Autonomie als das, was er im Bund-Länder-Entwurf
tatsächlich ist: ein Raum wird geschaffen, in dem die
Reformzuständigkeit nicht mehr den Hochschulen zugewiesen ist,
sondern den Mechanismen der Ökonomisierung anheimfallen kann.
Daß es überhaupt so weit kommen
konnte û das bleibt selbstkritisch festzuhalten û ist
eine Folge davon, daß die Hochschulangehörigen ihrer
Reformaufgabe zu oft zu schlecht nachgekommen sind. Gerade dieser
Dauerauftrag zur Reform ist in der Auseinandersetzung um Bestand,
Macht und Mittel zu häufig unter dem ökonomischen Druck,
mit dem die Hochschulen seit Jahrzehnten konfrontiert werden, dem
verständlichen Versuch der Bestandssicherung untergeordnet
worden, darüber bisweilen, so scheint es, schlicht vergessen
worden. Das wirkt bis in die heutige HRG-Debatte nach, wo diese
Änderung bislang meist unkommentiert geblieben ist.
Zögerlichkeit, die so in Reformdingen entstand, ist über
die Jahre zum Zaudern und schließlich zur heute larmoyant oder
zynisch beklagten Immobilität geworden. Fast scheint es, als
würde dieser éUnfallæ in der Geschichte der
Hochschulreform durch den Bund-Länder-Entwurf des HRGs dazu
genutzt, die Verantwortlichkeit für das Scheitern von den
Handelnden weg auf das vom Anspruch her immerhin handlungsanleitende
Gesetz zu verlagern. Zum Angeklagten wird das HRG, werden nicht etwa
diejenigen, die den sinnvollen und weitsichtigen Auftrag des
Gesetzes nicht befolgten.
Schlußfolgerung
Die Hochschule
kann sich eine Streichung des § 8a nicht leisten. Sie braucht
auch keinen Ersatz, sondern nur die konsequente Anwendung des
Studienreformparagraphen, damit sie der Hochschulmisere begegnen
kann. Dazu allerdings bedarf es stabiler finanzieller
Rahmenbedingungen so gut wie im Reformsinne Handelnder in allen
Gruppen der Hochschulangehörigen. Das Progressive ist im Fall
von § 8 das Eintreten für den Bestand des
Studienreformparagraphen, der bis auf die Berücksichtigung des
weiterbildenden Studiums nur an einigen wenigen Stellen präzisiert
und behutsam angepaßt werden braucht. Denn der Paragraph
beschreibt bereits in deregulierender Weise die für ein
Rahmengesetz sinnvollen Verpflichtungen hinreichend konkret.
Einzelstellenkommentare
Zu Abs. 1,
Satz 2: Die Verpflichtung zur Studienreform
Gegenüber
der bisherigen Formulierung ("Die Studienreform", §
8a, Abs. 1, Satz 2) wird nun der gesellschaftliche Anspruch auf eine
fortzuschreibende Reform deutlicher formuliert.
Zu Abs. 1, Satz 2, Nr. 1:
Als
Zielvorstellung wird hier ein mündiger und möglichst
selbstbestimmter Übergang in die berufliche Tätigkeit
formuliert. Das dafür erforderliche Innovationspotential wird
in der Formulierung deutlich, die gerade nicht von einem
abgeschlossenen Übergangsprozeß, sondern von
"Entwicklungsmöglichkeiten" spricht.
Zu Abs. 1, Satz 2, Nr. 3: Bezug zur Praxis zu erkennen und (in
forschendem Lernen) einzuüben
Die
Ergänzung soll darauf aufmerksam machen, daß dem Erkennen
immer auch eine Handlungskompetenz folgen muß, soll es
gesellschaftlich rückbindbar bleiben. Dem Nachdenken über
Konsequenzen und Relevanz für die Praxis soll, wo immer
möglich, das aktiv handelnde Umsetzen solcher Reflexion folgen.
Es gilt, die Universität in viel stärkerem Maße als
bisher zum Praxisraum zu machen. Die dafür erforderlichen
Mittel sind zur Verfügung zu stellen. Die Verbindung von
Forschung und Lehre wird in solchem forschenden Lehren und Lernen
als Praxis konkret.
Zu Abs. 1, Satz 2, Nr. 4: die Möglichkeit des
Hochschulwechsels (gerade auch an ausländische Hochschulen)
verbessert wird
Das im § 15bl neu
eingebrachte Leistungspunktsystem ist eine konkrete administrative
Regelung, die in ihrer zweiten Begründung schon durch diese
Stelle des § 8 geregelt ist. Administrative Regelungen sind
aber sinnvollerweise nicht Teil eines Rahmengesetzes. Die Ergänzung
um den Wechsel an ausländische Hochschulen soll den geänderten
internationalen Rahmenbedingungen Rechnung tragen. Wo von
Verbesserung anstelle von Erhalten die Rede ist, soll der hier
besonders wichtige Einforderungscharakter für einen heute
zumeist als defizitär erkannten Bereich der Reform deutlicher
werden.
Zu Abs. 1, Satz 2, Nr. 5:
Die
Neueinführung dieser Nummer erweitert die Verpflichtungen zur
Studienreform um den Bereich, der die Fortschreibung von
Bildungsstandards nicht allein der innerbetrieblichen und
überbetrieblich nicht-universitären Weiterbildung
überläßt. Das weiterbildende Studium macht als
Tätigkeitsbereich der Öffentlichkeit über die
Hochschulen ein ergänzendes und kritisch andere
Weiterbildungsmöglichkeiten sichtendes Angebot, das nicht
primär durch die ökonomischen Bedingungen perspektiviert
wird. Solch gesellschaftlich sinnvoller Ausbau des
Weiterbildungsangebots in Form eines weiterbildenden Studiums hat
die Aufstockung der öffentlichen Hochschulmittel zur
Voraussetzung.
Zu Abs. 2, Satz 1:
Hier wird ein
wesentliches Moment des prozessualen Studienreformkonzepts
juristisch festgeschrieben. Es ermöglicht die in der Praxis
erst prüfende Reform gegenüber einem Konzept der bloßen
Reformverordnung. Neben dem experimentellen, juristisch aber
verantworteten Freiraum entsteht hier eine Möglichkeit der
angewandten Wissenschaft, ein hochschulinternes Praxisfeld also.
Zu Abs. 2, Satz 2: unter Beteiligung aller nach dem
BVerfGE-Urteil-Urteil vom 29. Mai 1973 (1 BvR 424/71) jeweils für
zuständig erklärten Gruppen begutachtet werden
Die
Ergänzung will im Rahmen des zur Zeit juristisch Möglichen
den Anspruch der Gruppenuniversität verbessern helfen.
Zu Abs. 3:
Der Absatz stellt kein
bürokratisches Hemmnis dar, sondern fördert ganz im
Gegenteil einen verantwortlichen zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen
ein Studiengang auf rechtsverbindlicher Basis eingerichtet wird. Der
Absatz versteht sich als Appell zum verantwortungsvollen Handeln
aller an der Neueinrichtung zu Beteiligenden, ihre Arbeit zügig
und kompetent, orientiert an der Sache durchzuführen.
Zu Abs. 4:
Dieser Teil des § 8
ist darum besonders wichtig, weil er die Reformzuständigkeit
bundeseinheitlich regelt, indem er sie den Hochschulen zuschreibt.
Indem der Staat sich hier zurückhält, trägt er selbst
zu einem höheren Maß an Deregulierung bei, als es dann im
Bund-Länder-Entwurf an vielen Stellen zu finden ist.
HRG-AG Deutsche Philologie II
AG
Demokratiebegriff, Öffentlichkeit, Weiterbildendes Studieren û
Gesetze erfahrbar machen
Dr.
Gert Vonhoff (5.12.1997)
§ 39 (Wahlen) û Vorläufiger Entwurfstext
1Die Vertreter der Mitgliedergruppen in den zentralen Kollegialorganen und im Fachbereichsrat werden in freier, gleicher und geheimer Wahl von den jeweiligen Mitgliedergruppen und in der Regel nach den Grundsätzen der personalisierten Verhältniswahl gewählt. 2Von der Verhältniswahl kann insbesondere abgesehen werden, wenn wegen einer überschaubaren Zahl von Wahlberechtigten in einer Mitgliedergruppe oder in einem nach Landesrecht gebildeten Wahlbereich die Mehrheitswahl angemessen ist. 3Durch die Regelung des Wahlverfahrens und die Bestimmung des Zeitpunkts der Wahl sind die Voraussetzungen für eine möglichst hohe Wahlbeteiligung zu schaffen; bei unmittelbaren Wahlen zu den zentralen Kollegialorganen und zum Fachbereichsrat ist allen Wahlbeteiligten die Möglichkeit der Briefwahl zu geben.
Vorläufige Kommentierung
Zu § 39 insgesamt:
Situationsdarlegung
§
39 des bestehenden HRGs (§ 39a) ist im Bund-Länder-Entwurf
(§ 39bl) ersatzlos gestrichen, der Entwurf des freien
zusammenschlusses von studentInnenschaften (§ 39fzs) enthält
den alten § 39a in veränderter Form.
Globalkommentar
Wahlen nicht
gesetzlich regeln zu wollen heißt, sie abschaffbar zu machen.
Wie das mit einem demokratischen Grundverständnis zu
vereinbaren ist, bleibt ungeklärt.
Ein
Wahlrecht, von dem in der Hochschulpraxis teilweise wenig Gebrauch
gemacht wird, ist auch ein Gradmesser für den Stand der
Verwirklichung von Mitbestimmung. Ein Recht, das man nicht
wahrnimmt, ist eine soziale Ausdrucksmöglichkeit. Nicht das
Recht ist in Frage zu stellen, sondern die Hochschulpraxis im Sinne
einer verantwortbaren Mitbestimmung zu gestalten.
Schlußfolgerung
Die Hochschule
als Bestandteil und Bildungsstätte einer demokratischen
Gesellschaft kann sich eine Streichung des § 39a nicht leisten.
Der Paragraph kann unverändert beibehalten werden.
Einzelstellenkommentar
Zu Satz 2:
Dieser Teil des § 39 ist ein Beleg
dafür, daß das bestehende HRG hier hinreichend flexibel
ist, also entbürokratisierender Änderungen in diesem
Bereich gar nicht bedarf.
HRG- AG Deutsche Philologie
II
Arbeitskreis Deregulierung
Sabine
Porschen, Uli von Thenen, Christian Kaase, Thorsten Zumloh, Tobias
Gombert
Die entfreiende Freiheit - Zur Deregulierung im neuen Hochschulrahmengesetz
Die Forderung nach mehr Wettbewerb an den deutschen Hochschulen
wird immer lauter. Ein Faktor dieses Wettbewerbs soll die
Ausrichtung der akademischen Ausbildung auf einen
neoliberalistischen Leistungsbegriff sein, dem Universitäten
und Studierende sich vielleicht bereits in naher Zukunft zu beugen
haben. Schon lobt der "Spiegel" das "High-Teach"
einiger auf diesem Trend surfenden mecklenburgischen Hochschulen,
besonders Dresden. Schlagwörter wie der Bachelor-Abschluß,
Deregulierung oder Autonomie der Hochschule wurden sehr geschickt in
die Diskussion gebracht und von unkritischen Medien allzu
bereitwillig separat verhandelt; die Dimension des neuen
Hochschulrahmengesetzes blieb kaschiert. Auch die Forderungen von
studentischer Seite beschränken sich häufig auf die
Oberflächenstruktur der Transparente. Erst die genaue Analyse
dessen, was nun geplant ist, kann dieser wichtigen Diskussion die
angemessene Basis geben.
Deregulierung ist mit
ihrem Schein von Freiheit ein offensichtliches Phänomen des
neuen Hochschulrahmengesetzes (HRG), das den Hochschulen Autonomie
vorgaukelt. So entfallen im Kabinettsentwurf zum Beispiel die
Paragraphen 4 und 8. An die Stelle der bundesrechtlichen
Regulierungen tritt die Evaluation, die voraussichtlich von
Instituten der freien Wirtschaft durchgeführt würde und
von der die Finanzierung der Hochschulen abhinge. Damit hätte
sich der gesellschaftliche Neoliberalismus an den Hochschulen ,
immatrikuliertÆ. Vermutlich würde die Geschwindigkeit des
Studiums ein Bewertungskriterium, eine Annahme, zu der auch der
geplante Bachelorabschluß Anlaß gibt; verwundert
registriert man die fehlende Innovationskraft, während man
diese hinterrücks mit dem verschulten Studierenden wieder zur
Tür hereinbittet. Denn wenn die Regelstudienzeit 3-4 Jahre
beträgt, wäre ein solcher Abschluß ohne die
Verschulung der Studiengänge nicht zu erreichen. Kritisches
Denken und eigene Reflexivität wären damit gerade
konterkariert. Untermauert wird dieses Konzept durch den Verzicht
darauf, daß Studierende befähigt werden sollen,
"Studieninhalte wissenschaftlich selbständig zu
erarbeiten" (§8, Abs.1, Satz 2). Auch die Zusage, daß
die Studierenden an der Evaluation beteiligt werden müssen (§6,
HRG-Entwurf) ist problematisch, eine genauere Definition ist im
Gesetzestext ausgespart. Unzweifelhaft ist, daß die
Studierenden an der Gestaltung der Lehre zu beteiligen sind,
unzweifelhaft aber auch, daß eine Einflußnahme Risiken
birgt. Zudem sollte der Studierende eher versuchen, die
Lehrveranstaltungen mitzugestalten, als sich am technischen
Verfahren der Evaluation zu beteiligen. Studentische Mitarbeit wird
durch die Nutzung von Serviceleistungen verdrängt.
Die
spezielle Analyse der wegfallenden Paragraphen 4 und 8 zeigt die
Programmatik des neuen Entwurfes; daß Wissenschaft und Praxis
dem "jeweiligen Studiengang entsprechend" verbunden sind,
sollte Paragraph 4, Abs.2, Satz 3 (geltendes HRG) gewährleisten,
perspektiviert durch Paragraph 23 Abs.2, nach dem die Forschung ihre
Erkenntnisse zu veröffentlichen habe. Indem nun diese
Regelungen wegfallen, wird ein veränderter Praxisbegriff
vorbereitet. Im Spannungsfeld wirtschaftlicher Evaluation und
wegfallender Öffentlichkeit ist ein Begriff "Praxis",
der sich an den Interessen vieler orientiert, nur schwer
vorstellbar. Letztendlich leistet er einem Öffentlichkeitsbegriff
Vorschub, der in der "Produktion" von gesellschaftlichen
Leistungsträgern steckenbleibt:
"Die
Hochschulen haben die ständige Aufgabe, im Zusammenwirken mit
den zuständigen staatlichen Stellen Inhalte und Formen des
Studiums im Hinblick auf die Entwicklungen in Wissenschaft und
Kunst, die Bedürfnisse der beruflichen Praxis und die
notwendigen Veränderungen in der Berufswelt zu überprüfen
und weiterzuentwickeln."(§8, Abs.1, Satz 1; geltendes HRG)
In der aufzählenden Form war im HRG ein
unausgesprochenes Bild von Hochschule enthalten, das deutlicher im
HRG-Entwurf der Bündnis-Grünen hervortritt: "Die
Hochschulen sind berechtigt, auf Entwicklungen hinzuweisen, die nach
dem Stand der Wissenschaft für Mensch und natürliche
Umwelt schädlich sein können." (§2, Abs.3;
Bundesdrucksache 13/8824) Doch selbst diese Formulierung weist auf
einen bestehenden Mißstand hin: die Möglichkeit der
kritischen Funktion wurde nur allzu selten genutzt. Die geforderte
prozeßhafte Weiterentwicklung der Universitäten fiel der
statischen Besitzstandswahrung zum Opfer. Dennoch ist es die falsche
Konsequenz, wegzurationalisieren, was wesentliche Aufgabe der
Hochschulen sein muß. Indem im neuen HRG auf dieses dynamische
Element verzichtet wird, ist der Finalität einer auf die
Bedürfnisse der Wirtschaft abgerichteten
Dienstleistungsinstitution Universität der Weg bereitet. Diese
Zweckgebundenheit ist nur noch in dem Sinne Prozeß, in dem
auch Siemens seine Waschmaschinen verbessern muß.
Daß
nach dem bisherigen HRG Studierenden "breite berufliche
Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet" (§8, Abs.1,
Satz 2) werden sollen, kann eine solche Konzeption "Hochschule"
nicht mehr gewährleisten. An die Stelle der Breite ist der
kanalisierte Student gesetzt. Er verliert in dieser Verengung seine
Schlüsselqualifikation: selbständiges und schnelles
Einarbeiten in möglichst viele komplexe Themengebiete. Die
"lean production" der Gesellschaft findet hier im "lean
thinking" ihre Entsprechung. Zugleich wird den Studierenden
systematisch der Weg zum ehemals emphatischen Verständnis von
Universität verstellt: wie soll die Gemeinschaft von Lehrenden
und Lernenden (universitas) entstehen, wenn die Gruppe der
Studierenden eher an der Kinokasse als in der Bibliothek sitzt, weil
sie sich das Studium verdienen muß? Ihre Arbeit ist an den
Universitäten, der Arbeitsplatz zumeist noch nicht. Der
Langzeitstudent wird angeprangert, nachdem er häufig erst durch
seine wirtschaftliche Lage dazu geworden ist. Der Reduzierung des
Studierenden auf einen Kostennutzenfaktor läuft dann die
Hierarchisierung der Hochschulstrukturen parallel, die nicht mehr
als selbständig für etwas definiert werden: ist die
Funktion für die Gesellschaft nicht an Mündigkeit, sondern
Wirtschaftlichkeit gemessen, wird Autonomie û als kritisches
Bewußtsein für Gesellschaft û zur Freiheit des
Bestehenden pervertiert. Die Parallele zur Gesellschaft offenbart
die Problematik der als harmlose Novellierung des
Hochschulrahmengesetzes getarnten Hochschulreform. Innere und äußere
Reform müssen sich vielmehr nach einem Demokratieprinzip
ergänzen, das alle Betroffenen in die Konzeptfindung
einbezieht: Finanzierung und studentische Mitarbeit (erweiterte
Tutoren- und Hilfskraftprogramme, Projekte für forschendes
Lernen), Qualifikation und Verantwortung des Bundes (Möglichkeit
zu neuen Studienmodellen, Grundsicherung von Studienplätzen,
adäquate Ausstattung der Hochschulen), Studienordnung und
Hochschulreform, Weiterbildung und Praxisorientiertheit (erweiterte
Fortbildungsprogramme, Neugewichtung von Praktika, wechselseitige
Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis) sind nicht isoliert
voneinander zu betrachten. Freiheit der Hochschule schließt
dann einerseits den Freiraum zur ständigen Reform und
andererseits ein kritisch-funktionales Bild von Bildung ein, dessen
Aufgabe durch das Hochschul-Rahmengesetz festgehalten wird.
Die Ideologie des allgemeinen Wettbewerbs wird dorthin
getragen, wo die Möglichkeiten erst entstehen, Ideologie zu
kritisieren. Hochschule müßte also eigentlich ein
Gegengewicht zur Gesellschaft bilden; daß dieses Gegengewicht
nicht länger erwünscht wird, ist die eigentliche
Kernaussage des HRG- Entwurfes.