Beiträge zur
neueren
philosophischen
Literatur I



Die wiederentdeckte Ordnung des Bewußtseins - Zur Edition der Schriften Eric Voegelins

Unter den Wissenschaftsemigranten der 30er Jahre, die vor dem sich ausbreitenden Hitlerregime fliehen mußten, gehört Eric Voegelin zu jenen, deren literarische Repatriierung in das Land und den Sprachraum ihrer ersten wissenschaftlichen Erfolge nie recht gelungen ist. Anderen fiel es leichter, den Bruch der erzwungenen Emigration zu mildern. Hannah Arendt etwa war durch ihre Verbindung zu Karl Jaspers und durch ihr aufsehenerregendes Buch über den Eichmann-Prozeß in Deutschland präsent[1], obgleich sie in den USA lebte und lehrte.
Neuerdings wendet sich die Aufmerksamkeit auch bislang weniger beachteten Autoren zu. Seit gut eineinhalb Jahrzehnten erlebt Ernst Cassirers Kulturphilosophie eine unerwartete Renaissance[2]; für Richard Hoenigswald zeichnet sich in ähnlicher Weise ein neuerwachtes Interesse ab[3].
Das Werk Eric Voegelin könnte davon profitieren, zumindest, was den deutschen Sprachbereich angeht. Denn wie auch schon im Falle Cassirers hat das Ausland - vor allem Italien und die USA - Voegelin als Gegenstand der Forschung wie auch als Anregung für eigene Problemstellungen seit längerem wahrgenommen[4].
Hierzulande ist das Werk so gut wie nicht erschlossen, neu aufgelegt wurde nur die 1959 auf Deutsch erschienene "Neue Wissenschaft der Politik"[5], mit der V. zunächst in den USA einerseits als Verfechter einer sich an der philosophischen Tradition vor Anbruch der Neuzeit orientierenden politischen Theorie, andererseits als ein Kritiker eben dieser Neuzeit bekannt wurde, der einen Großteil der politischen und intellektuellen Strömungen seit dem 16. Jahrhundert pauschal unter "Gnosis"verdacht stellte. Dagegen wartet die "Anamnesis" betitelte Aufsatzsammlung, in der V. während seiner Münchener Zeit historische und systematische Arbeiten der deutschen Öffentlichkeit vorstellte, seit über 30 Jahren auf eine Neuauflage[6]. Das fünfbändige, unvollendete Hauptwerk "Order and History" schließlich blieb unübersetzt[7].

In den letzten Jahren hat sich der Kenntnisstand dank den Bemühungen von Peter J. Opitz und dem Münchener Eric-Voegelin-Institut verbessert. Eine Auswahl von Voegelins Schriften der 60er und 70er Jahre erschien 1988[8], die Kontroverse, die V. im Zusammenhang mit dem Erscheinen der "New Science of Politics" außer mit dem Freund Alfred Schütz auch mit Leo Strauss und Aron Gurwitsch brieflich austrug, liegt seit 1993 vor[9]. Die seit 1994 erscheinende Reihe "Periagoge" bringt nun dem interessierten Leser Texte Voegelins zur Kenntnis, die entweder nicht mehr erhältlich waren oder zunächst nur auf Englisch erschienen sind.

I.